Körperwahnsinn 3.0

Immer häufiger erlebe ich im Freundeskreis, aber auch an mir selbst, dass Gedanken, Zeit und insbesondere Geld nicht länger in Luxusgüter investiert werden, sondern in den eigenen Körper.  Don’t worry – ich spreche (noch?) nicht von Schönheits-OP’s oder Botox-Behandlungen, noch befinden wir uns in den Thirtysomethings, daher versuchen wir es (noch?) auf dem natürlichen Wege…

Bewusste Ernährung sieht plötzlich so aus: Ingwer-Wasser statt Milchkaffee, Spinat-Smoothie statt Spinat-Pizza, Grill-Dorade statt Grillwurst und überhaupt: LOW CARB!

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Mit meinen Freundinnen tausche ich schon seit einiger Zeit die perfekten Ernährungstipps aus, ohne den Genuss außen vor zu lassen. Denn für uns gehört Genuss zum Glücklichsein! Ich kann leider nichts mit Menschen anfangen, die völlig in Askese leben und sich dem Verzicht unterwerfen. „Nein danke, ich trinke nur ein Glas stilles Wasser, aber bestellt euch ruhig die Pasta..“ Ja nee, is‘ klar!

Ich hatte mal eine Kollegin, die lediglich aufgrund der zwangsläufigen Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme gekocht und gegessen hat. Jeden Mittag schnibbelte sie sich 2 Kartoffeln, 1 Möhre und eine halbe Zucchini und ließ dieses mit etwas Wasser und einer Prise Instant-Brühe zu einer weichen Masse köcheln. Bon Appetit….

„Das Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken“

Dieser grandiose Ausspruch ist natürlich auch auf gutes Essen anwendbar – nur gibt es da bestimmte Nebenwirkungen bestimmter Genussmittel… (Kater und Raucherhusten außen vor…) – nämlich Kalorien und Fettpölsterchen.

Nun gilt es einen funktionalen Kompromiss zwischen Genuss und Größe 36 herzustellen. Wie vorstehend genannt, werden die verzichtbaren Sünden durch trendige Wellness-Foods ausgetauscht. Plötzlich steht ein Standmixer für Smoothies dort, wo früher der Brotkorb seinen Platz hatte und Schokolade bleibt im Supermarktregal, stattdessen werden Bio-Mandeln und Low-Fat-Chips gekauft.

Ist das der richtige Weg? Oder lieber doch die „Rotwein-Diät“ aka „Dinner-Cancelling-just-Alcohol-Diät“? Diese wurde bereits in einer Langzeitstudie in meinem weiblichen Freundeskreis mit geteilter Meinung getestet.

Theorie: Man ersetzt das Abendessen durch 1 (!!) Glas Rotwein, so dass ein leichter Schwips eintritt, der wiederum das Hungergefühl unterdrückt.

Praxis: Nach 1 (!!) Glas Rotwein und 3 Zigaretten ist der Heißhunger auf Salziges plötzlich so groß, dass die Rosmarin-Chipstüte aufgerissen und anschließend mit einem weiteren Glas Rotwein runtergespült wird. FAIL!

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Der neueste Spuk, mit dem wir uns beschäftigen, ist DETOX. Diese Sache mit Abführen, Entgiften, schlechte Laune, nur Flüssignahrung, nach 4 Tagen kommt das Hochgefühl und am 5. Tag ist alles vorbei.  Trotzdem verfällt der Gedanke nicht, bei einem örtlichen Anbieter für sagenhafte 99,- Euro eine 3-Tage-Trinkkur zu bestellen. So wird der Standmixer nicht dreckig und das Ingwer-Wasser hat bereits jemand anderes aufgesetzt. Also ein unschlagbares Angebot!

Es ist und bleibt verrückt. Die Medien und der aktuelle Lifestyle eines innerstädtischen Prototypen geben den Takt vor und wir klatschen willig mit ein. Aber so lange wir uns keine künstlichen Schwangerschaftshormone spritzen um mit der umstrittenen hCG-Diät den Stoffwechsel anzukurbeln und vor allem bei einer genehmigten Rotwein-Diät selbstkritisch über uns lachen können, ist Größe 38 auch in Ordnung!

Never change a running system

Ich mag keine Veränderungen. Zumindest keine, die dem Gewohnten, Lieb gewonnenen an den Kragen gehen. Mit Anfang 20 mag man sich mit diesem sprunghaften Leben arrangieren, es vielleicht sogar zelebrieren, aber glaubt mir, mit 30 will man das nicht mehr!

Mit 30 erwartet man Beständigkeit. Gerne auch Routine (Vorsicht! Die Grenze zwischen Routine und Trott ist hellgrau und ganz dünn!). Es ist allerdings zuweilen schwierig, Spontanität und Routine zu vereinbaren. Das ist eine wahrliche Herausforderung.

Gestern Abend: das monatliche Waxing stand an, aber da ich es leider nicht so mit rechtzeitigen Terminvereinbarungen habe, blieb mir statt meiner persönlichen Depiladora (welch eine Berufsbezeichnung!) nur der Walk-In-Service à la Russisch Roulette übrig. Ich bin wirklich nicht zimperlich. Und solche sehr intimen Behandlungen kann ich recht gut wegstecken. Getreu dem Motto: Das ist deren Job, die machen den ganzen Tag nix anderes, als Frauen und Männern zwischen den Beinen Haare raus zu reißen. Trotzdem setze ich bei so etwas auf Beständigkeit und Vertrauen. Meine Depiladora kennt mich und ich kenne sie. Wir quatschen während der Prozedur und es ist nicht allzu unangenehm und nach 15 Minuten ist man fertig. Tja, schlechtes Termin-Management, also Walk-In-Service. Meine gestrige Depiladora war eine süße kleine Südländerin. Machte selbst einen sicheren und gepflegten Eindruck. Für mich ein Must-Have-Kriterium. Nur leider fehlte ihr Feingefühl. Und wenn es um das empfindlichste und intimste an meinem Körper geht, darf man ruhig Feingefühl erwarten. Stattdessen kam die Zuckerpaste zum Einsatz, sehr zäh und schon bei Auftrag ziepend, und die Gute zupfte, tupfte und rupfte wie eine Berserkerin drauf los. Ich habe blaue Flecken da unten!

Beständigkeit ist besser. Und in der Regel auch ohne blaue Flecken an heiklen Stellen.

Aber wo fängt Routine an und hört Trott auf? Ist es schon Trott, wenn das sonntägliche Frühstück Woche für Woche gleich abläuft? Ich mache Tee, koche Eier, stecke die Brotscheiben in den Toaster und mein Freund kommt erst in just dem Moment an den Tisch, wenn auch das Toast sprunghaft aus dem Toaster hüpft. Im Zweifel auch etwas später, je nach dem, ob die Online-Ausgabe der Bild am Sonntag schon vollständig auf dem iPad geladen ist. Wir frühstücken, reichen uns blind den Salzstreuer von links nach rechts und selbst das 6:20-Minuten-Ei wird immer zum Schluss gegessen. Danach gibt es noch einen  Espresso, für meinen Freund dazu die erste Zigarette und anschließend werden pedantisch die einzelnen Brotkrümel aufgesammelt und eliminiert.

Wir könnten eine Version von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ nachspielen. Wer Bill Murray spielen darf, muss allerdings noch entschieden werden…

marmot

Aber hier liegt die Schwierigkeit: Zu wissen, dass das gemeinsame, sonntägliche Frühstück so vertraut und routiniert ablaufen wird, gibt einem das Gefühl von Sicherheit. Aber wenn man beginnt, diese sichere Routine zu verabscheuen, weil man befürchtet, dass dieses Szenario auch die nächsten 40 Jahre so abläuft, dann hat man den Beweis, dass die hellgraue, dünne Grenze zum Trott klammheimlich überschritten wurde. Und das fühlt sich auch mit 30 ziemlich doof an.

Vielleicht sollten wir nächsten Sonntag Cornflakes auf’m Sofa essen und dabei Cartoons gucken oder uns das Brunch-Büffet im 5-Sterne-Hotel gönnen. Andernfalls gerät das running system irgendwann ins Straucheln und es folgt ein schmerzliches ERROR.

Die Leiden der jungen 30erin

Man wird wehleidig. Das Kratzen im Hals, die chronische Mandelentzündung, all das wird zum kombinierten Super-GAU. Und vor allem die anhaltende Arscheskälte.

Face it! Man wird nicht jünger und der körperliche Verfall nimmt seinen Anfang. Wie schön war es doch damals, als man als Teenie noch mit einer halben Lungenentzündung jede Party mitgenommen hat, in der Panik, sonst etwas zu verpassen. Heute verpassen wir vorbeugend und freiwillig. Wir verpassen gemütliche Wein-Abende mit Freunden, wir verpassen die heißgeliebte Pilates-Stunde, wir verpassen das Grill-Fest in der Firma. Wir hören auf unseren Körper und schonen ihn. Schließlich muss er noch 60 Jahre halten. Aber jede Unachtsamkeit wird registriert und verbüßt. Falten, graue Haare und dieses unheimliche Pfeifen beim Ausatmen. Fürchterlich! Schließlich haben wir schon ein gewisses Maß an Lebenserfahrung und die lehrt uns: ein Kater ist mit 30 mindestens 3 mal so schlimm wie mit 18. Und so verhält es sich eben auch mit unangemessenem Verhalten bei körperlichen Gebrechen (Schnupfen, Husten, Blasenentzündung).

Man wird vorsichtiger. Die Hausapotheke ist stets gut gefüllt und für alle Eventualitäten gewappnet. Und wer sich bei der Diagnose seines Leidens nicht ganz sicher ist: fragt mich! Ich bin der geborene Google-Hypochonder. Aber mit Einschränkungen! Ich recherchiere Symptome und verknüpfe scharfsinnig die passenden Krankheiten. Meistens aber belasse ich es bei der Internet-Suche und überlasse mich dem (kerngesunden) Schicksal. Nur selten treibt mich meine weibliche Intuition zum entsprechenden Facharzt, dann aber auch mit exakt der im Vorwege recherchierten Diagnose im Anschlag!

Statt Schminktipps („Hellblauer Lidschatten ist out, Süße!“) werden nun wirksame Hausmittel per Whatsapp ausgetauscht. Honig, der antibakterielle Superheld, wird quasi voll umfänglich angepriesen (in den Tee, oder gleich einen Teelöffel lutschen). Kirschkernkissen und Cool-Pads gelten zwischenzeitlich als Must-Have und gehören zum festen Wohn-Accessoire der eigenen vier Wände. Manchmal erwische ich mich auch dabei, dass ich im Drogeriemarkt länger vor dem Arznei-Regal als vor der neuen Nagellack-Kollektion stehe. „Oh, hochdosiertes Magnesium, 400 mg, perfekt!“ – „Magen-Darm-Tropfen kann ich auch mal wieder mitnehmen…“.

„Der Körper ist Dein Tempel. Halte ihn sauber und rein, damit die Seele darin wohnen kann.“ (B.K.S. Iyengar)

In diesem Sinne: Mein Salbeitee (schweißmindernd und gut gegen Entzündungen im Hals-und Rachenbereich) ist fertig! Schnell noch eine Tasse trinken, bevor Raucherpause ist…

flue

Happy 30th…und jetzt?

Ich liebe Geburtstage – schon immer so gewesen. Ab ca. 6 Monate vorher beginne ich meine Freunde und Familie in monatlichen Countdowns darauf hinzuweisen. Ein herrlicher Running Gag. Die Vorfreude geht dann meist 4 Wochen vorher in konkrete Planungen über: was mache ich dieses Jahr? Wie „verarbeite“ ich Familie und meine liebsten Freunde?

Mein Geburtstag ist mir heilig. Da darf ich egoistisch sein. Sogar eine Krone tragen. Uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Das gönne ich mir einmal im Jahr. Denn ansonsten bin ich ein sehr genügsames Mädchen. Höflich und zuvorkommend erzogen. Diese Eigenschaften lege ich natürlich nicht an meinem Ehrentag ab, aber unter dem Deckmantel „Geburtstagskind“ darf man sich das ein oder andere schon mal heraus nehmen. Aber immer mit einem Zwinkern und Lächeln für mein Umfeld.

Der 30. Geburtstag. Eine herrliche Zahl um zu kokettieren, eine grausame Zahl um Resümee zu ziehen. Ja, okay, die 40 sind jetzt die neuen 30, ich soll mich also noch 10 Jahre entspannt zurücklehnen und der Dinge harren. Life will happen. Heutzutage auch mit 30+.

Erinnert ihr euch an die Abi-Zeitungen und die beliebte Frage „Wo siehst du dich in 10 Jahren?“?

Ich mag solche Zukunftsschwärmereien. In der Zukunft hat man keine Sorgen, dafür Mann, Kinder und Haus. Im Idealfall auch einen Hund oder Meerschweinchen. Und für jeden dieser zukünftigen Familienmitglieder habe ich Namen. Ein Spleen, seit ich 14 bin. Namenslisten. Für Jungs, für Mädchen, für Haustiere. Alphabetisch sortiert und anschließend in wohlklingenden Namenskombinationen zusammen gefasst.

Mit 20 war ich mir sicher, dass ich 10 Jahre später mindestens das erste Kind habe. Glückliche Partnerschaft und lukrativen Job, der mir eine entspannte Elternzeit verspricht, vorausgesetzt. Ich bin in einer Familie mit jungen Müttern aufgewachsen. Natürlich generationsbedingt, aber mir gefiel es, eine junge Oma und eine junge Mutter zu haben. Das wollte ich auch. Die seit drei Generationen fortgeführte (aber zufällige) Tradition, mit 22 Mutter zu werden, habe ich ausgesetzt. Schon allein aus dem Grund, dass es in den 2000ern eher unüblich ist und ich zu dem Zeitpunkt noch nicht mal eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Einen Freund schon. Allerdings 3 Jahre jünger. Das galt es in die Zukunfstsschwärmerei mit einzukalkulieren. Na gut.

10 Jahre später: ich bin 30, kinderlos, habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, sogar eine fachliche Weiterbildung, entsprechend einen guten Job und der Freund ist auch noch da. Aber auch immer noch 3 Jahre jünger.

Happy 30th…und jetzt?

30th